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P.E. Eisold / Pressesammlung
Feuilleton Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2005, Nr. 237, S. 43
Jazz und Amen
Gut geschüttelt und gerührt: Der Blick zurück beim Deutschen Jazzfestival in Frankfurt
.....Künstlerischer Höhepunkt war zweifellos der Auftritt von "Nu Box" & DJ Illvibe mit der immer mehr über sich hinauswachsenden hr-Bigband. In der durchkomponierten Suite für Jazzorchester und Turntable-Spieler traf man tatsächlich Altvertrautes. Und wahrlich durchgeschüttelt hatte DJ Illvibe die gut dreißig Jahre alten Electronics von Herbie Hancock "Watermelon man" und "Head Hunters".
Was damals als stromlinienförmiges Ostinato den hinreichenden Grund für zuckende Finger-Eskapaden auf dem Synthesizer lieferte, hatte Illvibe nun als Loops wohlfeil auseinandergeschnippelt, neu sortiert, kategorisiert und schließlich in einer atemraubenden Collage aus entsemantisierten Soundpartikeln zu einem gänzlich neuen Instrument wieder zusammengeschraubt. Durchsetzt mit Sprachfetzen und angereichert mit historischem Bandmaterial, war hier beste Avantgarde hörbar und aufgrund der skulpturalen Plastizität der teilweise auch monströsen Schnipselei sogar greifbar: ein alter Musikertraum. Und wie bereitwillig sich dazu die hr-Bigband in unzähligen harmonischen Schachtelsätzen und Palimpsesten gewissermaßen umregistrieren ließ, das bewies erneut die Weltklasse der Frankfurter.
.Achim Heidenreich
El Nacional, Caracas / Venezuela
Hypnotischer Electro-Jazz: nuBox mit DJ Illvibe
von Juan Carlos Ballesat; 29.9.2007
In dem großen musikalischen Universum unseres Planeten gibt es wenig Über-raschungen wie die Deutschen von nuBox und DJ Illvibe. Am vergangenen Sams-tag fand vor einem überfüllten und verblüfften Theater eine so bemerkenswerte Darbietung statt, wie man sie in Caracas lange nicht gesehen hat. Das Goethe-Institut hat es wieder geschafft, die aktuelle deutsche Avantgarde zu uns zu holen.
Diesmal war es das ungewöhnliche Projekt eines DJs und dreier visionärer Jazz-musiker, die schon in den 1980er Jahren als Blue Box zusammenspielten. Für beinahe eineinhalb Stunden strahlten sie Risiko, Abenteuerlust, große Ideen und überschäumendes Talent aus. Selten rührt ein Konzert Stück für Stück so sehr an der emotionalen Verfassung des Publikums. Alle Stücke besaßen ein reiches Eigenleben, das den Zuhörern immer wieder aufs neue ein reiches, noch zu ent-deckendes Universum offenbarte. Ethnische Klänge, Stimmen-Samples aus Soul, Gospel und Hip Hop, Klangteppiche und rhythmische Loops, überlappt vom ur-sprünglichen Klang von Trompete, Schlagzeug, elektrischem Bass und den Geistesblitzen der Plattenteller. Einige Passagen erinnerten an den Elektro-Jazz norwegischer Gruppen wie „Supersilent“ und „Jagga Jazzist“, den Trompeter Nils Peter Molvaer oder die deutsche Gruppe „Tied &Tickled Trio“ .
Die Anwesenheit von DJ Illvibe, der nicht nur als DJ sondern auch als Perkussionist beeindruckendes Geschick bewies, bedeutete jedoch einen substantiellen Unterschied. Illvibe bearbeitete alle erdenklichen Teile seines Instruments bis hin zum Tonarm des Plattenspielers, um Rhythmen zu erzeugen, die sich mit Schlag-zeug und den Loops aus Peter Eisolds Laptop vermischten. Letzterer, ein phäno-menaler Schlagzeuger, demonstrierte, dass man die Trommeln keineswegs er-barmungslos prügeln muss, um wirklich zu beeindrucken.
Alois Kott zeigte seinerseits eine große Geschmeidigkeit zuerst mit einem elektro-nischen Kontrabass ohne Klangkörper, den er sowohl als Bass als auch als Cello benutzte, und später mit einem E-Bass. Während sich sein Körper wie eine Schlange bog, gestikulierte er immerfort. Zusammen mit Eisold ist er für das Kon-zept verantwortlich, regelt und produziert Klänge und Rhythmen, während es Reiner Winterschladen trotz dem hervorragenden Beitrag seiner Trompete manchmal natürlich, manchmal mit Dämpfer oder Abdeckung gespielt bevor-zugte, eine weniger Zentrale, vom Rest der Gruppe gelöste Rolle einzunehmen. Seine Präsenz speist sich in jedem Fall aus der authentischen Nabelschnur des Jazz.
Das während dieser Nacht vorgestellte Material basierte größtenteils auf „Next Twist“, einer aufschlussreichen Platte, deren Material in der liveinterpretation durch die intelligente Handhabung von Rhythmuswechseln, Wiederholung, Crescendos, die Pausen und die feinen Nuancierungen die jeder auf seinem Instrument be-herrscht noch an Bedeutung gewinnt.
Auffällig war, dass sehr wenige Musiker aus der lokalen Jazz-Szene gekommen waren, um aus erster Hand zu hören, wie weit die Möglichkeiten des aktuellen Jazz reichen und wie nahe dieser anderen Genres kommen kann. Das selbe könnte man über viele sagen die sich selbst als DJ bezeichnen. Am Ende griff dann noch die Sängerin rumänischen Ursprungs, Miss Platnum, in das Geschehen auf der Bühne ein. Diese verfügt über eine mächtige Stimme, mit Farbtupfern aus dem Soul und einem nordamerikanischen Akzent. Obwohl dieses Finale etwas mit dem davor gehörten brach, war der Auftrag bereits erledigt. Eine dieser großen Nächte, die es leider nicht im Überfluss gibt.
Printausgabe vom 11.10.2005
Der Jazz pflanzt einen Apfelbaum
Von Marcus Hladek
Weniger Zuschauer als an den Vorabenden erlebten beim 36. Deutschen Jazzfestival einen letzten starken Abend.
Obst- und Weinbauern kennen das. Ein Quitten-Pfropfreis kommt auf einen Apfelbaum oder umgekehrt; beide verwachsen und bringen «Hybride» hervor, ein veredeltes Obst irgendwo dazwischen. «Bigbandtronics» funktionierte auch so, nur dass es sich beim Apfelbäumchen um die HR-Big-Band, beim Pfropfreis um den DJ Illvibe mit den Elektronik-Magiern von «NuBox» handelte. Gegärtnert hatte Ed Partyka (Arrangements, Dirigat). Mal klang das dank der sägenden, schabenden, piepsenden Soundeffekte wie Roger Rabbit mit seinen Zeichentrick-Toons im Großstadtdschungel oder in den Straßen von San Francisco. Dann vielleicht wie Philip Glass, nur eben mit Beat und Pepp und Dynamik. Andererseits setzten sich die Big-Band-Bläser im Wettkampf mit der Technik immer wieder mal glänzend durch: großzügig geschwungene, metallische Linien hier, fantastische Solo-Klagen, Kreisen, Verzögern, Verfremden dort. Alles total cool, sehr reflektiert und äußerst modern. Geradeaus hören kann jeder.
TAZ:
Das nächste heiße Ding
Geht doch: "nuBox" fusionieren elektronische Beats mit Jazz. Und die Trompete flüstert, schreit und ächzt
Vor 20 Jahren gingen Blue Box in die Jazzlexika ein, als das erste Album des Trios herauskam und umgehend den Deutschen Schallplattenpreis erhielt. Die Newcomer wurden zum wichtigen Jazzfest Berlin eingeladen. Nur die Puristen zeigten sich entsetzt: die Stücke passten ja ins poptaugliche Dreieinhalbminutenformat!
Heute hat sich die Welt auch im Jazz ein gutes Stück weiter gedreht und Blue Box starten ihren Relaunch mit neuem Album (sonic screen, nach zehn Jahren Pause) und neuem Bandnamen. nuBox heißt die Kiste jetzt - mit Betonung auf der klein geschriebenen Vorsilbe. Dennoch, das Trio ist seinem Konzept treu geblieben: Elektronische Beats verschmelzen mit dem akustischen Sound von Trompete, Kontrabass und Drums.
Das groovt enorm und relaxt, ist aber dabei hochspannend zu verfolgen. Suchende nach dem nächsten heißen Ding nach St. Germain und Nils-Petter Molvær dürfen sich freuen, nuBox haben einen eigenen Weg ins neue Jahrhundert gefunden. Handelsüblicher Crossover-Jazz blieb dabei genauso konsequent links liegen wie loungige Ambient-Untiefen. Manchmal erinnert die Musik an die Funk- und Zouk-Grooves von Miles Davis' späten Alben, gebeamt in eine Zukunft, die gerade erst beginnt. Doch wie Reiner Winterschladen beispielsweise seine Trompete mit rauher Stimme flüstern, schreien und auch wieder ächzen lässt, ist längst sein eigenständiges Markenzeichen geworden.
Hamburger kennen den Bläser aus dem Pulk der NDR Bigband - mit nuBox zeigt er persönliche Vorlieben: Groove ist wichtig, und Ausdruck. Darin stimmen seine Trio-Kollegen durchaus mit ihm überein, ihre Musikelektronik bedienen sie so expressiv wie die herkömmlichen Instrumente auch. Diesem Trio muss man genau auf die Finger sehen.
Tobias Richtsteig
NewAge / Dhaka
An ecstatic evening!
RAFI ZAHED
As one entered through the gates of the German Club the mere sight of the stage made one's heart throb. It was quite evident that the evening would be exciting. Indeed, it was an evening of melody and jubilance. The German Jazz band nuBox had performed live in front of an audience comprising of 400 people. The event took place at the premises of the German Club in Gulshan on February 28.
The audience had a choice of two locations to sit, relax and enjoy the music. There was an array of chairs around the club's swimming pool where few people managed to secure seats to view the concert. The tennis court was also transformed into a lounge for the viewers to see the band perform.
The audience comprised of people from various organizations. Few diplomats were also present at this event. This was the first ever initiative of the German club to allow non-members of the club to come and bask into the concert.
The event commenced with short speeches given by the authorities of the German Club and the Goethe Institut in Dhaka. One official welcomed the guests and stated, 'This is the first ever collaboration between the Goethe Institut and the German Club. Music has no boundaries and it unites people together to share the common interest and love for jazz.'
nuBox was touring in the South Asian countries and had arrived in Dhaka after their successful show in Calcutta. If one is not acquainted with the band, a brief introduction will elucidate the reader. nuBox is a German Jazz group which was formally known as the Blue Box. This band is well known for the creation of contemporary jazz. The band comprises of four members including the renowned DJ Ill Vibe.
The band definitely had the crowd up on their feet. The ecstatic audience was all engulfed into the world of jazz music. The ambience was soothing and melodious. The crowd was sipping their cocktails and the band was performing their compositions. .
The concert ended around 10:30pm.The crowd went home jubilant having experienced another evening of music and happiness.
Berliner Morgenpost / Die Welt (zum Jazzfest Berlin 2005)
„Die eigentliche Entdeckung des Festivals kam dann weder aus den beiden Schwerpunktländern Türkei und Italien noch aus dem marginalisierten Jazz-Geburtsland USA. Das um den DJ Illvibe verstärkte deutsche Trio nuBox brachte Samstag nach Mitternacht im Quasimodo die Hirne zum Tanzen. Was Trompeter Reiner Winterschladen, Bassist Alois Kott und Schlagzeuger Peter Eisold da gemeinsam mit dem erschütternd begnadeten Plattenrhythmiker Illvibe (alias Alexander von Schlippenbachs Sohn Vincent) anstellten, hob die Grenzen zwischen DJ-Gegenwart und Improvisationsvergangenheit rauschhaft auf.“
Deccan Herold ( Indien)
An evening of Jazz experiment
DH News Service Bangalore:
This was no ordinary jazz, but an evening of grand experiments with sound and mood. At the Max Mueller Bhavan in Indiranagar on Sunday evening, a compact crowd of jazz lovers sat mesmerised by nuBox, a Dancefloor Jazz Concert, that will next travel to Dhaka, after a whirlwind tour of Karachi, Colombo, Chennai, Mumbai, Hyderabad, Kolkata and New Delhi.
Reiner Winterschladen on the trumpet blended in with Alois Kott on Double Bass, Peter Eisold on Percussion (both electronic) and DJ Illvibe on the turntables. As the audience sat shaking their heads and tapping their foot in thorough attention, the band continued to explore the space beyond jazz, dance floor, avant garde and underground.
nuBox is an acoustic art between new classic and art disco. In the early ‘80s when DJ club jazz was still uncommon, the eclectic music of Blue Box came as a big surprise horrifying the jazz purists. Now Blue Box is back after a recording pause of 10 years - in a new avatar called nuBox. Using the sounds and techniques of the present-day electronic and remix scene, the three of them reflect their past into the future.
Jazzpodium 07/08/2007
Jörg Konrad
nuBox feat. DJ illvibe
“next twist” ENJA NIN 1907 2
Ob man ihre Spielauffassung als eine Art Vergangenheitsbewältigung empfindet ist im Grunde völlig gleich. Wichtig ist, dass nuBox mit DJ illvibe ihr viertes Mitglied gefunden haben. Ein wirklich glücklich zu nennender Umstand, an dem die Musikwelt noch eine zeitlang teilhaben sollte.
Denn klanglich derart gegen den Strich anspielend, war das Trio um den Trompeter Reiner Winterschladen bisher nicht zu hören.
Und trotzdem groovt und atmet das Studioresultat auf ganzer Linie.
Nichts wirkt auf “next twist” intellektuell sperrig oder vordergründig aufgesetzt. Es ist eine Mitte zwischen Tradition und Avantgarde,
zwischen akustischem Klangideal und unerhörter Provokation gefunden,
die auf dem hier gehörten Niveau nur selten erreicht wird.
Winterschladens schlanke und brüchige Soloexkursionen scheinen in ihrer
lasziven Grenzüberschreitung ein idealer Gegensatz zu seiner stärker
Struktur einfordernden Arbeit in der NDR BigBand. Bassist und Elektroniker Alois Kott bringt in seiner eher zurückhaltenden Grundierung die gesamte Erfahrung von einigen Jahrzehnten Spielpraxis mit ein.
Schlagwerker Peter Eisold sind Experimente in der alternativen Musikszene vertraut.
Und DJ illvibe arbeitet wie selbstverständlich dem Trio zu, scratcht sich als Solist eben nicht in den Vordergrund, sondern weiß mit seinen Fähigkeiten hauszuhalten und dem Gesamtprodukt zu dienen. Eine erfrischend herausfordernde Musik, die für die Zukunft
hoffentlich, noch einiges an Ressourcen bereithält.
Sonic 07/07
Blick zurück nach vorn
von Ulrich Steinmetzger
Für die Jazzpolizei sollte das nichts sein, als dieses Trio beim Berliner Jazzfest 1985 unverhofft sein Publikum erst verunsicherte und dann vereinnahmte.
Fest stand bald keiner mehr, doch steht fest:
Schon für das Debutalbum “Sweet Machine” hatte es den Preis der Deutschen Schallplattenkritik gegeben. Fest steht: Die folgende gigantisch gefeierte Tour führte durch halb Europa. Fest steht: Die Jazzpolizei hat seit Jahrzehnten mit so vielen Abweichungen von der orthodoxen Szene zu kämpfen, dass sie toleranter werden musste, um bei den Massen an Deserteuren nicht auszudünnen bis zum Verschwinden.
BlueBox hiess vor guten 20 Jahren das Trio mit Trompeter Reiner Winterschladen, Bassist Alois Kott und Schlagzeuger Peter E. Eisold. Nach hunderten von Konzerten, noch in den entlegensten Ecken der Welt, heisst es nun nuBox, um mit dieser Vorsilbe auf einen inzwischen gängigen Part des Jazz zu weisen. Auf einen, den sie wesentlich mitgeformt haben, schon als es die Schublade noch nicht gab. Nu Jazz klingt nach Lounge und Electronics, nach Acid, Soul und HipHop, nach Dancefloor und dem angesagten Geschmack des Tages, nach Groove und Pop, nach Kommerz und Aus-Alt-Mach-Neu.
Immerhin entdeckten die DJs Hard Bop - und andere Klassiker in den Archiven und scratchten sie unters Volk. Immerhin hat das Trio überlebt, trotz aller Unkenrufe.
Und wenn es jetzt zum nächsten Twist ruft, ist das ein Signal in viele und aus vielen Richtungen. Drei Herren um die fünfzig inzwischen, die Spaß haben und eben darum auch welchen machen. Und wenn Armeen von Trendrittern in ähnliche Ziele galoppieren, waren sie lange schon da. Und besser.
Der Bassist ist Professor und schreibt Kammermusik, der Schlagzeuger war bei Helge Schneider und hat geforscht im weiten Feld experimenteller Klanginstallationen und alternativer Aufführungspraxis und der Trompeter ist sowieso einer der Besten seines Fachs. Er ist wie der Sänger der Band. Man darf ruhig an Miles Davis denken.
Reiner Winterschladen hat einen unglaublichen Ton, er kann gestopft schmeicheln, ächzen, in höchste Höhen fliegen und erdig growlen. Er spielt mit grosser Signifikanz, groovt in immer neuen Finten und hat ein Charisma, dass allein diese Platte zum Ereignis macht. Und was Winterschladen spielt, wurzelt tief in der Jazztradition.
Kaum zu verstehen ist, wenn man ihn noch immer als Geheimtipp handelt, trotz tragender Rolle in erfolgreichen Bands wie Trance Groove oder Nighthawks, trotz Mitgliedschaft in den Bigbands des NDR oder von Klaus König.
Auch das aktuelle Opus ist wieder ein Fest der Kurzweil.
Die Rhythmen sind aus Prinzip komplex, der satte Bass treibt, die Trompete schwebt darüber und erzählt ihre Geschichten. Ein Future-Sound ist das, der ohne Umwege in die Beine geht. DJ Illvibe, Sohn des Free Jazz-Pioniers Alexander von Schlippenbach und angesagter Virtuose mit Plattenspielern und Mischpult bei Bands wie Seeed oder Lychee Lassie, dreht und wendet dies alles noch weiter in Richtung Intensität.
Das puzzelt mit Schnipseln von ganz altem Blues, heftigen Bläsersätzen, kann mal nach Balkan klingen, mal nach Gamelanorchestern. Wichtig ist nur, dass der Druck elektronischer Beats nicht nachlässt. Diese Musik ist jung, doch alles andere als naiv. Sie demonstriert, dass intelligente Vergnügen nicht immer nur für den Kopf gemacht sein müssen.
Sonotone
Le groove est dans la boîte
16 Juillet 2007
Truffaz s'y était essayé, bon gré, mal gré. NuBox, trio germanique né des cendres de Blue Box, s'y colle à son tour. Trompette en fusion - la sourdine bien en place -, guitare en contre-jour, deux notes de basse aquatiques, un flot de percussions en chassé-croisé: entre les tremblements électriques des machines, la chaleur des instruments acoustiques s'infiltre. Insidieusement, mais sûrement, le "jazz du futur" se dessine. NuBox, soit Reiner Winterschladen (trompette), Alois Kott (basse, guitare, électronique) et Peter E. Eisold (percussions, batterie, électronique) ont invité un as des platines, DJ Illvibe, lequel a tout loisir pour se lâcher. Ce qu'il n'hésite pas à faire, alternant plage hip-hop, échos de kalimba et vocalises en pagaille. Entre deux lames de fond electrojazz très cool, la chanteuse roumaine Miss Platnum pose ses refrains techno-orientalisants. Fat Frumos, ça s'appelle. Un titre simple et entêtant, sur lequel la Miss fait bien mieux que pour son propre album, Chefa, fraîchement paru chez Sony. Planant ce qu'il faut, rythmiquement au point, la rencontre entre le trio NuBox et le "turntabliste" Illvibe livre à qui veut bien l'entendre une foule de petits détails cliquetants. Parfaitement comestible, ce Twist est même de très bon goût. (fg)
Jazzthetik / 04/08
nuBox - Menschen und Maschinen
von Rolf Thomas
»Harte Beats aus dem Laptop, präzise Scratches vom Plattenspieler vermischten sich mit messerscharfen Bläserkanonaden«, schrieb der WIESBADENER KURIER, und in der FAZ war zu lesen, die Beats von nuBox fingen »zu den wellenartigen Holzbläsermotiven auf magische Weise an zu swingen.« Doch Limbic System Files ist keine Live-Aufnahme, sondern wurde in einem Hörfunkstudio des Hessischen Rundfunks im Dezember 2006 neu aufgenommen.
Perkussiver Zuckerguss
»Die Live-Aufnahme ist in Stereo zusammengefahren und dann gemischt worden«, erklärt Peter Eisold, Schlagzeuger und Elektroniker von nuBox. »Das hätte man nachträglich gar nicht mehr abmischen können.« »Außerdem haben wir viele Drum-Computer-Spuren mit einem Live-Schlagzeuger im Studio eingespielt«, ergänzt Alois Kott, Bassist und Elektroniker von nuBox. »Da haben wir den Oli Rubow von der HR Big Band auch sehr bewundert, dass er das geschafft hat. Der spielt zwar haargenau, aber es klingt eben doch anders. Das ist die eigentliche Meisterschaft von uns, dass wir ein elektronisches Set-up so arrangieren können, dass es groovt.« Die Schlagzeugstöcke konnte Peter Eisold bei dieser Produktion deshalb weitgehend liegen lassen. »Ich habe so eine Art perkussiven Zuckerguss beigesteuert«, schmunzelt er. »Elektronik und Drums gleichzeitig zu spielen, das wäre nicht gegangen.«
DJ Illvibe alias Vincent von Schlippenbach - Sohn der Free-Jazz-Legende Alexander von Schlippenbach - ist die scratchende Zutat bei diesem Konglomerat, doch auch seine Beiträge sind arrangiert. »Der Vorteil für ihn war, dass er sich durch den Live-Auftritt und die vielen Proben viele Notizen machen konnte. Der weiß schon, was er tut«, versucht Alois Kott die Vorurteile zu zerstreuen, dass ein DJ einfach dann unmotiviert drauflos scratcht, wann es ihm gerade einfällt. »Er hat für jedes Projekt einen riesigen Sack Material. Meistens ist es für den Zuhörer aber gar nicht zu erkennen, was von ihm kommt und was elektronisch generiert ist.«
Das Ergebnis ist jedenfalls eine abenteuerliche Klangvielfalt, die so noch nie zu hören war. Die Verbindung von Maschine und Mensch - und eine Big Band ist eine Menge Menschen - klang selten so abenteuerlich wie auf dieser CD und die acht Kompositionen (vier von Eisold, vier von Kott) bringen manches zu Gehör, was einen durchaus schwindelig macht. Was da elektronisch generiert wird, was vom Plattenspieler, was von der Big Band kommt - die Klangwelten verschwimmen und vereinen sich. Nur von Reiner Winterschladen, dem nuBox-Trompeter, der ansonsten bei der Big Band des NDR vertragliche Verpflichtungen erfüllt, ist diesmal nicht ganz so viel zu hören (zwei schöne Soli immerhin). »Reiner Winterschladen war bei der Live-Produktion beim Jazzfestival Frankfurt gar nicht dabei, weil er andere Verpflichtungen hatte«, meint Peter Eisold. »Bei der Studio-Aufnahme wollten wir ihn schon dabeihaben, weil es ja auch ein nuBox-Projekt ist, aber natürlich steht er durch die vielen Mitwirkenden nicht so sehr im Mittelpunkt wie sonst.«
Wirkliche Schwierigkeiten, mit der Komplexität dieses riesigen Klangkörpers fertig zu werden, stellte sich für die nuBox-Musiker nicht. »Mit einer Big Band zu arbeiten, macht Spaß«, meint Eisold lapidar, und Alois Kott ergänzt: »Letzten Endes wussten wir ja, dass Ed Partyka [Bassposaunist, Tubist, Komponist, Arrangeur und Bandleader mit biografischen Einträgen bei u.a. Vienna Art Orchestra, Bob Brookmeyer New Art Orchestra, WDR Big Band und NDR Big Band] als Arrangeur da ist. Wir hätten das auch selbst machen können, aber ich habe sofort gesagt, wir schreiben zwar die Partitur, aber wir brauchen die jahrelange Erfahrung von jemandem wie Ed.«
Kaninchenzüchterverein
Der Anstoß zu dem Mammutprojekt kam aus Frankfurt. »Die Jazzredaktion vom HR fand Sonic Screen [erste NuBox-CD von 2004] wohl ziemlich gut und hat die Platte auch oft gespielt«, erzählt Alois Kott, »und schließlich bot man uns ein Projekt an. Das hat uns ziemlich überrascht, denn uns wäre das wohl nie eingefallen. Aber in letzter Zeit haben die eben ziemlich ungewöhnliche Projekte verwirklicht. Die bemühen sich wirklich, neben den traditionellen Big-Band-Projekten ausgeflippte Sachen zu machen. Und wir hatten auch Lust dazu.«
Schon im Vorfeld stellte sich raus, dass Eisold und Kott die Sache weitgehend zu zweit angehen würden. »Wir hätten es eben auch komisch gefunden, denen mit Reiner Winterschladen einen eigenen Trompeter vor die Nase zu setzen«, meint Alois Kott. »Zumal die mit Axel Schlosser auch einen Super-Trompeter in ihren Reihen haben. Auch die Klarinette, die Oliver Leicht in ›Coneblow‹ spielt, ist toll.«
Im Gegensatz zu Peter Eisold, der in der Vergangenheit schon öfter mit Großformationen zu tun hatte, war das Ganze für Alois Kott Neuland. »Ich habe schon versucht, in meinen Stücken auch Big-Band-Zitate unterzubringen«, erzählt er. Als Bassist ist er in der HR Big Band natürlich auch auf einen Kollegen gestoßen. Doch auch dieses »Problem« ließ sich lösen. »Mit Thomas Heidepriem habe ich mich prima verstanden«, sagt Alois Kott. »Oftmals hat er gezupft und ich habe gestrichen oder umgekehrt. Und zwar die gleichen Linien - was man bei ›Snaixperience‹ prima hören kann.«
Die Zusammenarbeit hat den beiden Elektronikern so viel Spaß gemacht, dass sie im hohen Norden gleich ein neues Big-Band-Projekt angegangen sind, diesmal mit dem NDR.
»Demnächst bauen wir auch die beiden Protagonisten des Ohnsorg-Theaters, Heidi Kabel und Henry Vahl, in ein Big-Band-Projekt ein,« grinst Peter Eisold. Was sich wie der irre Alptraum eines Dauerfernsehguckers anhört, ist bereits konkret in Arbeit. »Heute sind ja alle elektronischen Parameter steuerbar geworden, was zu Zeiten der analogen Synthesizer noch undenkbar war«, holt Kott aus. »Heute ist alles so handhabbar geworden, dass es wirklich Laune macht. Wir haben Kabel und Vahl wirklich musikalisch genutzt und nicht, um irgendeinen Inhalt wiederzugeben. An einer Stelle redet Heidi Kabel über einen vergangenen Abend beim Kaninchenzüchterverein, wo die Band so scheiße gespielt hat - das kann man natürlich einbauen. Das wird bei den Hamburger Jazztagen aufgeführt.«
Die Erfahrung mit dem sechzehnköpfigen Ensemble aus Frankfurt hat die beiden Klangtüftler aus dem Ruhrgebiet jedenfalls bereichert. »Bei der Elektronik ist es wichtig, sich zu beschränken, denn die Möglichkeiten sind unendlich«, versucht Alois Kott ein Resümee. »Und das in Verbindung mit diesen schönen Bläsersätzen, bei ›Remembrance‹ etwa, aber auch bei ›Swallover‹ - gar nicht jazzig, sondern songorientiert -, das ist schon was Schönes.«
Sonic 05 / 08
Ist es nun Jazz oder ist es DJ-Culture? Die Frage kann man stellen, aber außer den beinharten Puristen wird dies niemans wirklich tun.
Auch hier geht es zunächst um Musik. Zwar sind die analogen Bläser in der Überzahl, aber wer wissen will, was ein DJ wie Illvibe alles in seiner digitalen Wunderkiste hat, der muss nur aufmerksam hinhören. Und ein Staunen kann da garantiert werden.Diese CD bezieht ihren unglaublichen Reiz und ihre Spannung zudem aus der Tatsache, dass nuBox ihr musikalisches Konzept gleich in zwei zusätzliche Dimensionen ausweiten. In die Dimension der Bigband und die der DJ-Culture. Für beide Dimensionen sind besondere Übersetzungen notwendig. Diese Übersetzungsarbeit wird von den beiden beteiligten Komponisten Alois Kott und Peter Eisold als überaus aufregendes Spiel inszeniert. Dabei steht ihnen die gesammelte Erfahrung zur Verfügung, die sie bereits weit zurückliegend in den 1980er Jahren mit Blue Box machten.
Die kompromisslose Vereinigung von jazzig-komplexen Trompetenlinien mit treibenden Grooves brachte schon damals den Jazz zum Tanzen. Bei diesem Projekt werden elektronische Klangfolien, angefüllt mit kleineren Soundpartikeln und grösseren Soundfetzen übereinandergelegt. Mal deckungsgleich und mal verschoben. Ein Beschleunigungsprozess treibt die Stücke voran, entfesselt Elektronik und ihre Loops und inspiriertes Scratching.
Dem stellen sich tönende Kontrastflächen der Bläserarmada der hr-Bigband entgegen, genauso wie inspirierte, pochende Soli von hr-Bigband Tenorist Tony Lakatos und nuBox Trompeter Reiner Winterschladen. Die Arrangements des Bigband Leiters Ed Partyka, selber Bassposaunist und Tubist, unterziehen alle Noten einer komplexen Verschmelzung, so dass nichts so einfach nebenher, alles aber zusammenklingt.
Ist es nun Jazz oder DJ Culture ? Egal, auf jeden Fall hat diese Produktion alle Chancen der Soundtrack des nächsten Jahrhunderts zu werden.
Drums & Percussion 04 / 08
Ein wahrlich mutiges und zugleich zukunftsweisendes Projekt: NuBOX (Reiner Winterschladen (tr), Alois Kott (b/g/electr) und Peter Eisold (dr/electr)) gehen seit den Achtzigern - da hießen sie allerdings noch Blue Box und gaben dem Acidjazz Geburtshilfe - konsequent ihren Weg. Jetzt verbinden sie ihr Konzept computergestützer Musik mit der 16-köpfigen Bigband des Hessischen Rundfunks (inklusive Oli Rubow (dr)) und dem Berliner DJ Illvibe aka Vincent von Schlippenbach. Ed Partyka, Leiter der HR-Bigband, hat dazu nun entsprechende und stilistisch ganz weit offene Arrangements geschrieben. Das Resultat, die »Bigbandtronics«, kann man wohl mit Fug und Recht als furchtlosesten Bigbandjazz des 21. Jahrhunderts beschreiben, der mitten durchs Hirn dampft. Dabei ergehen sich die acht Kompositionen nicht allein in Soundgeschnipsel und Wortfetzen mit netten Bläsern, sondern können auf ganzer Linie fesseln - mit allen Mitteln, die einem derartigen Ensemble zur Verfügung stehen. Hier gehen Beats aus dem Computer, wahrlich ausgetüftelte wie bisweilen auch sperrige Bläserarrangements und massig Virtuosität eine völlig neuartige Mischung mit einer gehörigen Portion Groove ein. Reinhören, ihr Leute mit offenen Ohren!
Ricardo Poyo Castro (Radio Nacional / Buenos Aires)
Nuevo disco de nuBox, esta vez con una gran orquesta, la hr-Bigband . NuBox que cuenta con el aporte DJ Illvibe, un DJ que realmente toca pudimos comprobarlo cuando estuvieron en Buenos Aires en un concierto ofrecido en el Goethe Institut el 05-10-07, donde lamentablemente ningún critico comento la experiencia - , nos introduce en una obra conceptual que una vez que ud puso el disco no puede dejar de escucharla en su totalidad . Limbic System Files de Peter Eisold y Alois Kott integra en forma natural sonidos puros, acústicos, con eléctricos. Un paisaje sonoro con ecos cinematográficos , recuerdos de swing , algo de klezmer, sonidos de rock, y bases tecno conviviendo en fusión con una gran orquesta dirigida y con arreglos de Ed Partyka
Si quiere escuchar algo diferente alejado de la monotonía, este es su disco
Clarino - print (A) 04 / 08
Klaus Härtel
"And now for something completely different." So leiteten die Monty Pythons zum nächsten Sketch über. Nicht ganz ohne Humor ist auch das hier - und vor allem etwas völlig anderes. nuBOX - das Trio Reiner Winterschladen, Alois Kott und Peter Eisold ebnete einst als Blue Box dem Acid Jazz den Weg - entführt die hr Bigband in völlig neue Klangsphären. Für diese Musik müsste man eine neue Schublade für elektro-akustischen Jazz zimmern. Das ist neu, das ist sicherlich bisweilen ungewohnt, doch das ist spannend, unterhaltsam und zeitgemäß. hä
Kulturnews 05 /08
Wäre Miles Davis nicht jener unausstehliche Egomane gewesen - er hätte vor Jahrzehnten vielleicht schon schaffen können, wofür Reiner Winterschladen und seine NuBox-Kollegen sich jetzt feiern lassen. Zumal: Als NuBox noch Blue Box waren und die Suche nach zukunftsfähigen Jazzsounds in den 80ern die neuerliche Annäherung an Elektro und tanzbare Grooves mit sich brachte, waren Davis und Winterschladen fast auf Augenhöhe. Der letzte und entscheidende Schritt folgt jetzt. NuBox binden ihren spezifischen Sound in Bigband-Arrangements ein. "Limbic System Files" lebt von den Kontrasten zwischen der Strenge des Industrial, lyrischen Solopassagen und der omnipräsenten Turntablearbeit von DJ Illvibe. Von einem neuen Genre zu sprechen, mag zwar verfrüht sein - Maßstäbe für die Zukunft ambitionierter Bigband-Projekte setzen NuBox aber allemal. (ron)
Concerto (A) 2/2008
Ho
Das dritte Überraschungspaket der "nuBox" enthält Kompositionen von Peter Eisold (dr, perc, electr) und Alois Kott (b), denen wie gewohnt Trompeter Reiner Winterschladen und DJ Illvibe (Thurntables) beim Auspacken zur Seite stehen. Diesmal dient ihnen das reichhaltige Instrumentarium der HR-Bigband (unter Ed Partyka) als Reibefläche ihrer schon gewohnt elektronisch bestimmten Jazzmischung. Die Erweiterung der Sounds mit neuen Elementen hat dem Jazz immer schon Impulse verliehen und junge Zuhörerschaften erreicht, zeugt auch vom Wunsch nach Veränderung und Loslösung der Musiker/Komponisten vom Repertoire der Jazzvergangenheit. DJ Illvibes eigene Rhythmuspartikel füllen die von den im 70er -Jahre Gewand strahlenden Bläsersätzen freigelassenen Lücken mit Wortmustern und Scratch-Sounds, kommentieren sie liebevoll. Die nuBox-Beats liefern das Strukturgerüst für überraschende Arrangements Partykas, der Klänge in aller Kürze aufbaut, um diese am Punkt abzureißen und ihnen die nächsten folgen zu lassen, Stop and Go halten die Ohren der Zuhörer in erwartungsvoller Spannung, dem Zwiegespräch der beiden Bandteile zu folgen. Nach der JBBG ein deutscher Gegenentwurf zwischen Elektronik und (Bigband)jazz.
Jazzthing 04 / 08
nuBox & hr-Bigband Limbic System Files (enja/Soulfood)
Der Wandel vom altbackenen Rundfunk-Tanzorchester hin zu einer ambitioniert aufspielenden Jazz-Big-Band: Die verschiedenen Projekte der hr-Bigband aus den vergangenen drei bis vier Jahre sprechen eine deutliche Sprache. Ein weiteres Indiz für diese grundlegende Veränderung ist auch das neue Album „Limbic System Files“, das dieses Jazzorchester des Hessischen Rundfunks mit NuBox um Reiner Winterschladen, Peter E. Eisold und Alois Kott sowie DJ Illvibe alias Vincent von Schlippenbach aufgenommen und als „Bigbandtronics“ beim Deutschen Jazzfestival Frankfurt 2005 uraufgeführt hat. Die Stücke sind eigens für dieses Projekt komponiert, stammen allesamt von Eisold und Kott und sind zudem von dem in Wien lebenden Ed Partyka für die hr-Bigband arrangiert worden. Und es funktioniert tatsächlich: Die elektro-akustischen Experimente zwischen Avantgarde und DJ-Kunst fügen sich aufs Beste und Harmonischste in das Blech- und Holzbläserszenario der Band, Illvibes großartig auf den Punkt gebrachte Scratches und seine sensibel eingesetzten Electronics haben nichts Geschmäcklerisches. Und die Solisten (hr-Bigband-Tenorist Tony Lakatos etwa oder eben NuBox-Trompeter Winterschladen) tragen das Ihre dazu bei, um „Limbic System Files“ frisch und vital klingen zu lassen.
Sonic 05 / 08
Bigbandtronics mit der hr-Bigband (Feature)
Es scheint, als sei 2008 das Jahr, in dem die Synthese von elektronischer und umfangreich orchestrierter Jazzmusik endlich realisierbar geworden ist. Bereits im vergangenen Jahrzehnt hat es zahlreiche (meist erfolglose) Versuche gegeben, Bigband und Electronica miteinander zu verschmelzen; die CD-Veröffentlichungen der Jazz Bigband Graz und der Bigband des Hessischen Rundfunks in diesem Jahr, haben nun den Beweis erbracht, dass sich auch diese beiden Genres kreativ und erfolgreich miteinander kombinieren lassen.
Das Release der „Limbic System Files“ der hr-Bigband & NuBox (siehe Rezension Seite 00) dokumentiert ein Projekt, das bereits im Oktober 2005 anlässlich des Frankfurter Jazzfestivals uraufgeführt wurde. Das Konzept für diese einzigartige Kombination von Bigband-Musik, Live-DJ und elektronischer Musik stammt von Olaf Stötzler, dem Manager der hr-Bigband. Schon Anfang 2005 befasste Stötzler sich mit dieser Idee und begann damit, sich nach geeigneten Musikern umzusehen, um sein Projekt in die Tat umzusetzen. Nach langer und intensiver Suche stieß er schließlich auf die Gruppe NuBox, die schon seit langem als wegweisend auf dem schmalen Grat zwischen Avantgarde, Jazz, Dance Floor und industriellen Sounds galt. Stötzler setzte sich mit den beiden Komponisten von NuBox, Alois Kott und Peter Eisold in Verbindung. Beide waren begeistert von dem Projekt und holten sogleich DJ Illvibe mit ins Boot. Im nächsten Schritt stellte sich die Frage nach einem Arrangeur, dem es gelingen würde, die Kompositionen von Kott und Eisold für den Rahmen einer Bigband zu arrangieren und orchestrieren. Die offensichtliche Schwierigkeit bestand darin, die unterschiedlichen Stilrichtungen und Traditionen von NuBox und der hr-Bigband miteinander in Einklang zu bringen. Was man brauchte war ein Arrangeur, der in der Lage war, die moderne elektronische Klangwelt von NuBox zu interpretieren und in eine für die hr-Bigband und ihre erstklassigen Jazz-Solisten realisierbare Form zu bringen. Nach neuerlicher und langwieriger Suche entschied Stötzler sich für Ed Partyka, der seiner Meinung nach am besten geeignet war, dieses musikalische Puzzle zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.
Nachdem das Team zusammengestellt war, folgte als nächster Schritt die Arbeit an den Kompositionen, aus denen später die 8teilige Suite der „Limbic System Files“ entstehen sollte. Dabei legten Alois Kott und Peter Eisold Kompositionen vor, die Einflüsse aus einer Vielzahl verschiedener Stilrichtungen in sich trugen, angefangen von Soul und R&B bis hin zu Weltmusik und moderner klassischer Musik. Die Grundlage jeder Komposition bildete eine elektronische Grundspur, die aus bis zu fünf Layers elektronisch und akustisch erzeugter Klänge bestand, welche wiederum zu Grooves und Klanglandschaften modelliert worden waren. Diese Grundspuren bildeten Fundament und Rahmen für die Kompositionen und Improvisationen von NuBox, DJ Illvibe und der hr-Bigband. Sobald die Gundspuren fertig waren, machten sich Kott und Eisold an die Komposition. Wie bereits erwähnt, enthielten diese Kompositionen viele unterschiedliche Einflüsse und Stilrichtungen. Da Kott und Eisold nie zuvor mit einem Musikerensemble mit den Ausmaßen einer kompletten Bigband zusammengearbeitet hatten, enthielten die Leadsheets lediglich einige Vorschläge für Instrumentierung und Soli; zum größten Teil jedoch blieb dies der Interpretation der Solisten selbst und insbesondere des Arrangeurs überlassen.
Nach Fertigstellung der Kompositionen wurden die Leadsheets zusammen mit den Aufnahmen der Grundspuren an Ed Partyka weitergegeben. In diesem Arbeitsschritt wurden die Ideen und Vorstellungen von Kott und Eisold nun in Partituren für die Bigband übertragen, die jeweiligen Solisten für die einzelnen Stücke ausgewählt und über die Klangfarben entschieden. Dabei fand Ed Partyka, dass die Normalbesetzung der Saxophonsektion einer Bigband mit je zwei Altos und Tenorsaxophonen sowie einem Baritonsaxophon in diesem Rahmen möglicherweise ein wenig altbacken daher kommen würde. Da er in der Vergangenheit bereits mehrere Male mit der Bigband des Hessischen Rundfunks zusammengearbeitet hatte, wusste Partyka, dass die Saxophonsektion der Band durchweg aus exzellenten Double-Spielern bestand. Natürlich kostete Partyka dies reichlich aus. Voll zum Einsatz kamen auch die Holzbläser wie Flöte, Klarinette und besonders die Bassklarinette. Bei einigen Stücken kommt sehr schön zur Geltung, wie Rainer Heute und Heinz-Dieter Sauerborn die Bassline doppeln. Auch Oliver Leicht liefert ein großartiges Solo auf seiner „elektrischen Klarinette“ in dem Stück „Coneblow“. Neben den Holzblasinstrumenten wurden in zwei weiteren Stücken auch Bass-Saxophone dazu genutzt, dem Ensemble mehr Tiefe zu verleihen. In einem anderen Stück kommt eine Rohrblatt-Sektion, bestehend aus vier Sopransax-Spielern, zum Einsatz. Die Blechbläsersektion wiederum wurde weitgehend belassen. Da die gedämpfte Trompete eines der Markenzeichen von NuBox und Rainer Winterschladen ist, wurde von diesem Sound ausgiebig Gebrauch gemacht. Auch Flügelhörner kamen zum Einsatz, oftmals in Kombination mit den Holzbläsern, um so den härteren Klang der Blechbläser etwas abzumildern.
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Den vollständigen Artikel finden Sie in der Printausgabe 3.2008.
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